
Fahrradstraße mit modalen Filtern: Sie unterbinden effektiv den Durchgangsverkehr. © Qimby/Philipp Böhme
Letzter Baustein der Straßenrechtsreform
Am 21. März 2025 hat der Bundesrat mehrheitlich den Änderungen der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zugestimmt.
Die VwV-StVO richtet sich an die Behörden in Ländern und Kommunen und ist für die praktische Ausführung der StVO maßgeblich.
Die Bedeutung der VwV-StVO für die Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und für die Auslegung der neuen Ziele Umwelt- und Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung ist auch konservativen Landesregierungen bewusst. Sie wollten mit eigenen Änderungsanträgen die Verkehrsrechtsreform zurückdrehen. Das ist ihnen ganz überwiegend nicht gelungen.
Die VwV zu den §§ 39 bis 43 StVO spricht nicht mehr von der „Flüssigkeit des Verkehrs“ (oft als fließender Fahrzeugverkehr missverstanden), sondern von der Leichtigkeit für alle Verkehrsarten, die zu erhalten ist – mit Vorrang für die Verkehrssicherheit. Die Berücksichtigung der Leichtigkeit erfordert eine Abwägung, mit der auch die Inkaufnahme von Nachteilen bestimmter Verkehrsarten gerechtfertigt sein kann. Der Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel und nun auch des nicht motorisierten Verkehrs ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Bundesrat lehnte es ab, die Schutzbedürftigkeit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer:innen und der Menschen mit Behinderungen besonders zu berücksichtigen.
Fahrradstraßen und Fahrradzonen
In nahezu allen Fahrradstraßen und Fahrradzonen sind Kraftfahrzeuge zugelassen. Bisher wurde Anliegerverkehr nur als Beispiel aufgeführt. In der Neufassung der VwV-StVO ist das Zusatzzeichen „Anlieger frei“ der Regelfallfür die ausnahmsweise Zulassung. Das schließt die Freigabe für den Kfz-Durchgangsverkehr ohne besondere Begründung aus.
Fahrradstraßen und -zonen sowie verkehrsberuhigte Bereiche können zur „Bereitstellung angemessener Flächen für den Radverkehr“ auf der Grundlage eines verkehrsplanerischen Gesamtkonzepts eingerichtet werden, das nur für eine Verkehrsart oder für ein räumliches Teilgebiet aufgestellt sein kann. Aus diesem Konzept muss sich der Beitrag zum Umwelt- einschließlich Klimaschutz, zur Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung oder zum Gesundheitsschutz ableiten lassen, insbesondere durch Verkehrsverlagerung zugunsten des Umweltverbunds.
Es reicht aus, dass sich dieser Beitrag aus der perspektivischen Umsetzung des Gesamtkonzepts ergibt. Der Nachweis, dass jede Einzelmaßnahme einen vorhersagbaren Effekt hat, wäre kaum zu führen und wird nicht verlangt; auch ein Nachweis durch Gutachten ist nicht vorgeschrieben. Zum Gesundheitsschutz zählt die VwV-StVO die Förderung des Zufußgehens und des Radfahrens als Formen der aktiven Mobilität.
Die geänderte VwV-StVO ist am 10. April 2025 in Kraft getreten. Die geltende Fassung gibt es hier:www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de.
Der ADFC hält eine Gegenüberstellung alt/neu bereit: www.adfc.de/vwv-vergleich.
Modale Filter als Schutz
Praktische Bedeutung wird dieser Satz für Fahrradstraßen und -zonen erlangen: „Zur effektiven Unterbindung unzulässigen Durchgangsverkehrs können ergänzende Anordnungen in Betracht kommen.“ Gemeint sind modale Filter als Schutz gegen unberechtigte Fahrzeuge in Straßen mit Anliegerverkehr. Bisher wurden diese wirksamen Maßnahmen oft von Verwaltungsgerichten aufgehoben.
Zur Bereitstellung von Flächen für den Rad- und Fußverkehr zählen Anordnungen von Radfahrstreifen, Schutzstreifen, Fahrradstraßen, Fahrradzonen, verkehrsberuhigten Bereichen, Fußgängerzonen sowie von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, durch die Straßenflächen alleine oder vorrangig dem Fuß- oder Radverkehr zugewiesen werden, aber nicht die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht für bauliche Radwege.
Flächen für den Rad- und Fußverkehr sind grundsätzlich angemessen, wenn sie mindestens den einschlägigen technischen Regelwerken entsprechen. Die Bereitstellung angemessener Flächen kann auch ergänzende Anordnungen zur Sicherstellung der Funktion umfassen, z. B. zum Vorrang an Knotenpunkten, beim Queren oder zum Schutz vor dem Befahren oder Beparken durch Kraftfahrzeuge (ein Anwendungsfall: Geschützte Radfahrstreifen), aber keine streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Tempo 30 und Busspuren
Tempo 30 im Bereich sensibler Einrichtungen ist gegen den Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums wie bisher auf Öffnungszeiten zu beschränken. Das kann das Zusammenlegen von Tempo 30-Zonen mit unterschiedlichen Zeitangaben erschweren. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit auch entlang hochfrequentierter Schulwege in der Regel auf Tempo 30 zu beschränken.
Definiert werden sie als Straßenabschnitte mit einer Bündelungswirkung der Wege zwischen Wohngebieten und allgemeinbildenden Schulen, auch zusammen mit dem ÖPNV. Ihre Lage kann sich aus Schulwegplänen von Schulen, Polizei oder Behörden ergeben. Busspuren können nun auch für weniger als 20 Linienbusse in der Spitzenstunde eingerichtet werden. Außerhalb der Betriebszeit müssen sie nicht mehr für alle geöffnet sein. Das kommt dem Radverkehr entgegen, wenn er auf Busspuren freigegeben ist.
Zebrastreifen und Gehwege
Für Zebrastreifen hat die StVO den Nachweis einer besonderen örtlichen Gefahrenlage abgeschafft. Die VwV unterstützt die Erleichterung, indem sie die restrik tiven Richtlinien für Fußgängerüberwege aus dem Jahr 2001 zu unverbindlichen Empfehlungen herabstuft. Die Anordnung von Tempo 30 an Zebrastreifen ist zulässig, aber nur als „Kann-Vorschrift“. Eine Länderinitiative zum erlaubten Gehwegparken hat das Kriterium „Platz für den ungehinderten Verkehr von Fußgängern“ aufgeweicht.
In einer Gesamtwürdigung sollen die Länge der Verengung, das Verhältnis von Park- und Gehwegfläche, die Dichte des Gehwegverkehrs und Ausweichmöglichkeiten berücksichtigt werden. Doch schon einzelne Engstellen sind Hindernisse für einen Rollstuhl oder Zwillingskinderwagen. Man wird sehen, wie Verwaltungsgerichte damit umgehen. Sie dürfen sich über die VwV-StVO hinwegsetzen, denn sie ist eine innerbehördliche Regelung und keine Rechtsnorm.
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